Jäger, Fischer, Sammler und Gentleman.
Verlässt man die Südautobahn an der Abfahrt Lieboch und fährt die Hitzendorferstraße Richtung Haselsdorf, ist das Refugium von Josef „Peppo“ Stelzl nicht mehr weit. Eingebettet in die sanft abfallenden Äcker und Wiesen um Attendorf, zwischen Lonkes- und Lusenbach liegt an der Haselsdorfbergstraße ein schönes Anwesen mit zwei Fischteichen.
Dort empfängt mich Josef Stelzl auf der Terrasse seines Hauses und weist auf den prächtigen Ausblick nach Westen hin. Hügelabwärts Richtung Schadendorf sind herrliche Wälder, Wiesen und kleine Höfe zu sehen. Durch den Garten fließt der Beinbach, der die Fischteiche mit frischem Wasser versorgt. Als weit- und weltgereister Weststeirer hat der Hausherr hier sein Paradies gefunden. Nicht weit von seinem Geburtsort Wald bei Stainz entfernt, wo er 1942 geboren wurde.
Beim Gläschen „naturbelassenen Williams vom Jagdfreund“ und einer Flasche dalmatinischen Pelinkovac erzählt mir Josef Stelzl, dass ihm das Glück ein ganzes Leben lang wohlgesonnen war und dass er keine Stunde seines Daseins bereuen muss. Nach dem Abschluss der kaufmännischen Lehre war er nach seiner anfänglichen Verkäufertätigkeit bald als Einkäufer bei der traditionsreichen Firma „Baumgartner Schuh und Mode“ am Grazer Südtirolerplatz tätig. Einkaufstouren mit dem heutigen Besitzer Rudolf Baumgartner nach Italien und Spanien folgten. Anschließend wechselte er als Zentraleinkäufer für Schuhe und Sport zu Monika Assmann, Grande Dame und Chefin von „Moden-Müller“, einem heimischen Traditionskaufhaus, das bereits im Jahr 1894 in Graz gegründet worden war. Als das Unternehmen von „Werner Otto Versandhandel“ übernommen wurde, ist Josef Stelzl in die Belegschaft des Hamburger Konzerns gewechselt. „Hier begann“, wie er erzählte, „die schönste Zeit meines Lebens.“ Als Einkäufer des Otto Versands, stationiert in Graz, bereiste er nun die ganze Welt. Unzählige Besuche in Hong Kong, Paris, Mailand folgten. Unvergesslich sind für ihn 22 Aufenthalte in Moskau und in Krasnojarsk, der drittgrößten Stadt Sibiriens am Fluss Jenissei. Durch die ausgedehnten Einkaufstouren war er bei seiner Familie natürlich nur ein seltener Gast. Gern bezeichnet er sich nicht als Einkäufer, sondern als „moderner Zigeuner, der in so mancher Nacht in einsamen Hotelzimmern gerne einige seiner weststeirischen Freunde zum Feiern um sich gehabt hätte.“ Für den Otto-Konzern war er aber bald nicht nur für den Einkauf verantwortlich, sondern führte auch Betriebsauflösungen – unter anderem in Mailand und anderen italienischen Städten – durch. Gern schickte die Firmenzentrale „ihren kernigen Steirer“ zu heiklen Aufgaben in die ganze Welt, weil führende Mitarbeiter aus Deutschland begreiflicherweise bei der Auflösung von Gesellschaften im Ausland nicht gerade beliebt waren.
Bis zum 63. Lebensjahr blieb Josef Stelzl beim Hamburger Konzern und machte sich danach mit einem Wiener Partner selbstständig. Bis zum 74. Geburtstag war nun der Export, hauptsächlich nach Slowenien, die neue Beschäftigung des Kaufmanns. Ehefrau und Tochter, mittlerweile Professorin im Grazer Pestalozzigymnasium, mussten also wieder auf Josef verzichten, als er, unternehmungslustig wie immer, das neue Büro in Maribor eröffnete.
Erst die Pension erlaubt dem umtriebigen Weststeirer, der Liebe zum „Wein aus der Gegend“ zu frönen und gemütliche Buschenschankrunden mit Kollegen und Freunden zu genießen. Endlich hat er jetzt Zeit für Jagd und Fischerei. Wer aber glaubt, dass alle diese schönen Dinge den Weltenbummler in heimischen Gefilden halten, irrt. Die Liebe zum Revier schlägt sich nun auch in der Vermittlung von Jagdausflügen nach Slowenien nieder. „Aber nur mehr als Freizeittätigkeit und nicht als Geschäftszweig“, wie er betont. Als Verwalter des Abschusses von Križevci, einer seenreichen Gemeinde östlich von Maribor, nahe Bad Radein, hat Peppi alle Hände voll zu tun und kann hier seine waidmännischen Erfahrungen weitergeben. Viele Gäste aus der Weststeiermark nützen die fachkundige Unterstützung und haben darüber hinaus den Vorteil, die Gültigkeit des österreichischen Jagdscheines im Nachbarland nutzen zu können. Frühstück, Jagd, Standjause im Revier, Meldung und Streckenlegung, Schüsseltrieb – das gemeinsam eingenommene Essen nach Beendigung der Jagd mit anschließendem gemütlichen Beisammensein – sind bei Peppo im Jagdhaus Križevci legendär. Der Hobby-Waidmann, der eigentlich ein Profi ist, hat schon als 14-Jähriger den Jagdschein gemacht. Sein Vater, Aufsichtsjäger der Familie Meran, sowie Graf Dr. Franz Meran, bürgten 1956 für den Sprössling.
Die Fischerei ist ein eigenes Kapitel. Den Stainzbach, der westlich von Marhof die Ebene des Stainztales erreicht, hat er vom Grafen Meran bis 2022 gepachtet. Unzählige Stunden verbrachte er hier mit Freunden, unter anderem dem leider zu früh verstorbenen Grazer Druckereibesitzer „Freddy“ Dorrong. Lebenselixier des 75-jährigen Gentleman mit dem verschmitzten Blick eines Dachses, ist das tägliche Glas mit selbstangesetztem Enzian. Er trinkt es aus Gesundheitsgründen stets auf nüchternen Magen. Denn fit muss er bleiben, der „Peppo“, wie ihn seine Freunde nennen. Ist er doch nebenbei, nach aktiver Fußballerkarriere, Trainertätigkeit und Obmannschaft beim Sportverein Tobelbad, nun ebendort Ehrenpräsident. Weiters ist er auch noch Protektor des Kameradschaftsbundes Dobl.
Jeden Donnerstag findet die traditionelle Kartenrunde unter Freunden bei den Strohmeier-Fischteichen in Lieboch statt. Wenn Peppo gerade nicht unterwegs ist, empfängt und versorgt er Gäste bei sich im gemütlichen Haus. Er ist ein großartiger Gastgeber, und da kommt es schon öfters vor, dass illustrer Besuch auftaucht. Zum Beispiel der Bürgermeister von Krasnojarsk und der Gouverneur des Föderationskreises Sibirien, die gleich mit fünf Köchinnen zum Zubereiten eines russischen Mahles anreisten.
Im Wohnzimmer kündet ein Förster-Flügel, ehemals im Besitze einer oberösterreichischen Gräfin, von der Musikleidenschaft der Familie. (Tochter Bettina studierte an der Kunstuniversität in Graz, Frau Maria spielt Gitarre und singt in einer Gruppe.) Das Jagdzimmer des Hausherrn ist eine eigene wunderbare Welt voller Erinnerungen und Trophäen. Unzählige Geweihe und Krickerln auf handgeschnitzten Holzschildern zieren die Wände. In Vitrinen sammeln sich Meißner Porzellan, bäuerliche Taschenuhren sowie Jagdhunde aus Bronze und Keramik. Überall hängen bemalte Porzellanpfeifen mit großen schlanken Köpfen, wie sie früher die Bauern vor ihrem Haus, auf einer Holzbank sitzend, rauchten.
Peppos Liebe zum englischen „Wilsons of Sharrow-Snuff“, zu einer kräftigen „Gawith Hoggarth-Mischung“ oder zum Schmalzler, dem klassischen bayerischen Schnupftabak, darf zum Schluss nicht unerwähnt bleiben.
Aus der Portraitreihe: Westendstorys von R.W. Sackl-Kahr Sagostin, 5. April 2016
Photographie & Text: Robert W. Sackl-Kahr Sagostin
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