Männerphantasien. Neben dem da unten gibt es immer wieder sie. Die Frau – das unbekannte Wesen. Die Schöne, die Liebreizende, die Schreckliche. Von mir sagte man, dass in meinen Zügen das Schreckliche wunderbar mit dem Lieblichen verbunden war. Venus und Mars. Eines Tages brachen wir auf – ich und meine zwölf auserlesenen Genossinnen, die – gleich mir – nach Krieg dürsteten. Wir eilten dem König Priamos zu Hilfe, der seine besten Söhne im Kampf gegen seine Gegner verloren hatte. Ich verhieß dem König den Tod des strahlenden Helden, der ihm seinen Sohn Hektor genommen hatte. Der alte König war entzückt – von mir und meiner Schar und von unserem Schwur: Tod all seinen Feinden durch unsere Hand und ein großes Feuer, das die feindlichen Schiffe fressen würde. Es kam anders.

Ich bin eine Männerphantasie – entblößte Brust, kurzer Rock, entrückter Blick. Und am Ende – tot. Doch starben wir schön. Mit schimmernden Schilden. Mondschimmern. Ich mit Helm und goldgelber Mähne, die mir die Schultern herabfloss. In der Linken zwei Speere und in der Rechten eine zweischneidige Axt, ein Geschenk von der Göttin der Zwietracht.

Ich zog in den Krieg, jauchzend vor Lust steigerte ich mich in einen Blutrausch und metzelte die Männer in den Staub. „Heute noch, ihr Hunde, solltet ihr die Schmach des Priamos mir büßen!“ Doch dann – doch dann – kam er. Der beinahe Unverwundbare. Und durchbohrte mich und mein Ross mit einem Stoße. Ich glitt zu Boden und er nahm mir den Helm ab. Und sah mein Antlitz. Und wusste, dass er mich geliebt hätte. Es war zu spät. Mein letzter Atemzug. Ich war nur eine Männerphantasie. Na, wer war ich?

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Gesendet auf rbbKultur am 05. April 2019,
von Elisabeth Koeppe.